14. Juni: Fremantle Prison und Gedanken zum Hier und Jetzt

So, mein zweitletzter Tag in Perth ist angebrochen und ich habe gestern noch überlegt, was ich unternehmen soll. Nochmal nach Fremantle hatte ich im Hinterkopf und Ian meinte, eine Führung im Gefängnis sei sehr interessant.

Das Fremantle Prison gehört wie Port Arthur in Tasmanien (dort wo Mari und ich im letzten Jahr waren) zum Unseco Weltkulturerbe - dem einzigen in Western Australia.

Nicht nur der Zug fährt nach Freemantle, man kann auch einen der Linienbusse nehmen, und das mache ich dann auch. Die Linie 910 fährt über Süd-Perth und Applecross nach Freemantle und man kann die Gegend geniessen.

Direkt vor der Bushaltestelle wird gerade ein Autofahrer gebüsst - ist ein Papparazzifoto - nicht wirklich gut, aber ich habe mich nicht getraut, "offensichtlicher" zu Fotografieren. Ist eher so ein unscharfer 20-Minuten Schnappschuss ;-)

Das Fremantle Prison wurde 1850 von Sträflingen aus Sandstein erbaut und wurde bis 1991 als Gefängis genutzt. Heute ist es eine touristenattraktion und man kann in der Jugendherberge, welche im Gebäude eingerichtet ist, eine Nacht im einer Zelle verbringen. Mir hat das Eco-Tent gereicht, ich übernachte lieber die letzte Nacht im Travelodge :-)

Am Eingang werde ich dann damit überrascht, dass sie hier sehr modern ausgestattet sind. Ich werde gefragt, woher ich bin und ob ich evtl. die Audioversion in Deutsch haben möchte.

Das Angebot nehme ich gerne an, weiss ich doch noch nicht, ob unser Guide einen etwas heftigeren slang drauf hat. Es geht noch 10 Minuten bis meine Führung beginnt und ich gönne mir einen Kaffee.

Unser Guide spricht ein sehr deutliches Englisch, welches ist sehr gut verstehe (liegt wohl am Vornamen - er heisst Ian ;-) ).

Da er sieht dass ich eines ihrer Audiogeräte um den Hals trage, gibt er mir immer ganz lieb die Nummer dazu durch, die ich dann eintippe.

Teilweise bin ich froh, um einige Informationen in Deutsch, aber grösstenteils höre ich ihm zu (er erzählt nämlich noch viel mehr und sehr interessantes).

Als erstes befinden wir uns im Raum, wo die Häftlinge ankamen. Alles in diesem Gefängnis ist noch vollständig erhalten und wäre betriebstauglich.

Ian erzählt aber auch, dass schon einmal die Idee im Raum stand, alles Abzureissen und ein Shoppingzenter zu errichten. Da das Gefängis jetzt aber Unesco Weltkulturerbe ist, besteht diese Gefahr nicht mehr.

Unser Rundgang führt uns auch durch die Küche. Wer in der Küche gearbeitet hatte, hatte das Privileg, jeden Tag duschen zu dürfen - wegen der Hygiene :-)

Dann kommen wir auf einen der Innenhöfe, auf dem die Häftlinge Freigang hatten.

Es wurden irgendwann Drehkreuze installiert, damit man die Häftlinge beim Verlassen des Hofes besser im Griff hatte.

In diesen Käfigen sassen jeweils die Aufseher.

Jeder Häftling hatte solch einen Kübel in seiner Zelle. Diese mussten sie dann jeweils am Morgen mit auf den Freigang nehmen und entleeren.

Ian klärt uns darüber auf dass das bei teilweise 40 Grad nicht sehr angenehm in der Nase war. Dann doch lieber Frösche im WC ;-)

Insgesamt wurden hier 44 Häftlinge hingerichtet - davon 1 Frau.

So sah die "Einrichtung" einer Zelle zu Beginn 1850 aus.

Und so dann um 1950 - auch nicht wirklich symphatischer.

Eigentlich war es verboten, an die Wände zu malen. Als aber die Aufseher sahen, wie toll dieser eine Häftling malen konnte, liessen sie ihn gewähren.

Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, nochmal nach Fremantle zu fahren. Zurück nehme ich dann den Zug und mache mich fertig für meinen letzten Musicalbesuch.

Diejenigen, welche schon seit 4 Jahren mitlesen (oder mich sonst gut kennen) wissen, dass für mich Abschied nehmen immer eine sehr sehr emotionale Sache ist. Besser wäre wohl, wenn ich nicht zum Voraus schon wüsste dass jetzt dann fertig ist, aber das geht ja schlecht. Von Anfang an stehen mir mal wieder die Tränen zuvorderst und als Ian singt: ....but I have to go" muss ich mich also ganz ganz fest zusammenreissen.

 

Ich habe ja ganz zu Beginn nach einer der Shows Philipp Lowe angetroffen, der in Georgy Girl eine Hauptrolle hatte. Gerne hätte ich ihm mal noch gesagt, wie toll ich ihn in seiner Rolle hier in Mamma Mia finde und schreibe Ian vor der Show, dass er das doch für mich ausrichten soll.

Umso mehr freue ich mich, als Ian Philipp im Schlepptau hat und ich mich von ihm verabschieden kann und persönlich meine Wertschätzung überbringen kann. Philipp ersetzt ja jeweils Ian bei Kings of Croon und ich hatte ihn letztes Jahr in Colac angetroffen, als er sich die Show angesehen hat. Ebenfalls ein sehr symphatischer Australier (aber das habe ich evtl. anfangs Ferien schon mal geschrieben - ist halt wirklich so ;-) ). Es gibt da ein paar Australier, die sind noch netter und symphatischer als der Rest.

Schön ist, dass ich diese mal nicht direkt nach dem Theater tschüss sagen muss - das hatten wir mehr als nicht in den 4 Jahren und ist ganz fest schlimm.

Ian fährt mich zurück ins Hotel und wir werden uns morgen nochmal treffen (Überlebenskit ist parat: Nastüechli im 10er Pack ;-) ).

Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht darauf freue, wieder Daheim zu sein, bei Felix und Familie und Freunden. Aber ich darf hier in Australien jedes Mal soviel Erleben - unbeschreiblich.

Vor allem habe ich jedes Mal etwas Angst davor, dass es dieses Mal nicht annähernd so toll werden kann wie vorher, weils fast nicht mehr zu toppen ist, und dann geschieht soviel tolles, unvorhergesehenes, skurriles, dass es einfach mega ist.

 

Das Abschied nehmen ist für mich immer dann am schlimmsten, wenn ich nicht schon einen relativ konkreten Plan für meinen nächsten Besuch habe, und den gibt es tatsächlich noch nicht. So weiss ich also morgen nicht, für wie lange der Abschied dieses Mal ist.

 

Manchmal frage ich mich, warum ich diese Art von Reisen nicht schon viel früher entdeckt habe. Aber ich habe gelernt, dass es keinen Sinn macht, die Vergangenheit zu analysieren oder zu sagen was wäre wenn, warum habe ich das oder dies nicht gemacht. Vergangenes können wir nicht ändern und wir müssen (oder dürfen) aus der Zukunft das Beste machen. Jede Entscheidung die wir irgendwann treffen, verändert unser Leben auf die Eine oder Andere Art und es ist wie es ist. Mit seinem Schicksal zu hadern bringt schon gerade gar nichts und deswegen griesgrämig durch die Welt zu laufen macht uns nur griesgrämig. Immer mit einem Strahlen im Gesicht den Tag begrüssen und hoffen, dass er uns viele tolle Erlebnisse bringt.

 

Wir leben im Hier und Jetzt (und in diesem Sinne versuche ich meinen letzten Tag hier zu geniessen und freue mich auf Daheim).

Liebe grüsse

Karin